Amblyopiebehandlung

Die wichtigste Therapiemaßnahme ist in allen Fällen die Abklebebehandlung. Hierzu wird das bessere Auge regelmäßig für eine bestimmte Zeit mit einem Pflaster versehen, so dass das Kind in dieser Zeit gezwungen ist, alle Seheindrücke nur mit dem amblyopen Auge aufzunehmen. Hierdurch lässt sich in den meisten Fällen rasch eine Besserung der Sehschärfe erreichen, vor allem wenn mit der Therapie in den ersten Lebensjahren begonnen wird. Das Gehirn lässt sich mit zunehmendem Lebensalter immer schwerer beeinflussen. Jenseits des 10. Lebensjahres ist eine Amblyopietherapie daher nicht mehr erfolgversprechend. Sie können daran erkennen, wie wichtig ein frühzeitiger Therapiebeginn ist.

Neben dem rechtzeitigen Therapiebeginn ist eine weitere Voraussetzung, dass Refraktionsfehler durch eine passende Brille oder Kontaktlinsen ausgeglichen sind. Es hat wenig Sinn viel abzukleben, wenn das Auge wegen fehlender Brille ohnehin nur eine schlechte Sehschärfe aufweist. Andererseits kann ein Kind mit einem amblyopen Auge nicht beurteilen, ob das Brillenglas richtig ist und eine Hilfe darstellt. Die Amblyopie verhindert zunächst, dass sich beim Aufsetzen der Brille eine bessere Sehschärfe ergibt.

Zum Abkleben bieten verschiedene Hersteller spezielle Pflaster an, die sich im Aussehen und in der Zusammensetzung Klebers geringfügig unterscheiden. Alle Hersteller bemühen sich möglichst wenig Allergie-auslösende Pflaster herzustellen.

Das größte Klippe der Amblyopiebehanlung ist der Therapiebeginn. Es ist oft nicht leicht, ein Kind davon abzuhalten, dass Pflaster in einem unbemerkten Moment abzureißen. Zu Beginn der Therapie sieht das freibleibende amblyope Auge ja noch deutlich schlechter, so dass sich die Kinder mit dem Pflaster zurecht behindert fühlen. Dennoch ist es absolut wichtig, dass die Eltern das Abreißen nicht erlauben. Hat das Kind erst einmal gelernt, dass es mit dem Abreißen eine Chance hat, kann dies leicht dazu führen, dass eine ausreichende Therapie hierdurch vereitelt ist. Zu Beginn der Behandlung gibt aber keine Alternativen zum Abkleben!

Wir empfehlen den Eltern, mit dem Abkleben an einem Tag zu beginnen, an dem beide Eltern sich hierfür Zeit nehmen können. Oft kann ein Elternteil allein das Kind nicht ausreichend über mehrere Stunden kontrollieren und nötigenfalls für die erforderliche Ablenkung sorgen.

Erst bei einer schon gebesserten Amblyopie mit einer Sehschärfe besser als 0,5 kann das weitere Abkleben mit einer Mattfolie auf dem Brillenglas erfolgen. Die Kinder sehen dann mit dem amblyopen Auge schon soviel, dass sie sich nicht mehr gezwungen fühlen, an der Brille vorbeizuschauen, auch wenn das eine unbequeme Kopfhaltung erfordert. Zum Abkleben kann man über einen Optiker spezielle Folien mit unterschiedlichem Transparenzgrad beziehen (Bangerter-Okklusive), die die Sehschärfe um einen bestimmten Betrag vernebeln. Wir bevorzugen jedoch eine im Schreibwarenhandel erhältliche Folie, die zum Beispiel zum Bücher einbinden verwendet werden kann. Sie ist um ein Vielfaches billiger und erfüllt unter sinnesphysiologischen Aspekten den gleichen Zweck. Letztlich gibt es nämlich für die Wirkung der Folie nur zwei Zustände, nämlich ausreichende Verneblung, so dass das Kind mit dem anderen Auge schaut, oder – nicht ausreichende Verneblung, so dass trotzdem mit diesem Auge geschaut wird.

Die genaue Bezeichnung der von uns verwendeten Folie lautet: PROTEX-Folie mit der Bezeichnung PXMP der Firma x-film in Overath. Bezug z.B. möglich über: Koberg & Tente GmbH & Co. KG, Haferlandweg 12, 48155 Münster, Tel. 0251-60478, Fax 0251-664416

Zum Zuschneiden wird die Folie auf das Brillenglas gehalten, die Ränder werden mit einem Stift angezeichnet und die Folie dann mit einer Schere passend zugeschnitten. Ob man die Folie von außen oder innen auf das Brillenglas kleben möchte, ist egal. Für die therapiefreien Zeiten wird die Folie abgenommen und z.B. an eine Ecke des Spiegels im Bad geklebt. Sie kann dann problemlos viele Male verwendet werden.

Therapierhythmus und -dauer

Wann und wie lange abgeklebt werden muss, lässt sich nicht pauschal beantworten. Die Antwort wird bei jedem Besuch Ihres Augenarztes oder Ihrer Orthoptistin am Ende der Untersuchung neu festgelegt. Es gibt jedoch zur Orientierung Faustregeln, die Sie auch kennen sollten. Im ersten Lebensjahr sollte bis zur Hälfte der Wachzeit abgeklebt werden. Längeres oder ununterbrochenes Abkleben kann zu einer Amblyopie des abgeklebten Auges führen.

Nach dem ersten Lebensjahr darf ein Auge der Erfahrung nach soviel Tage lang abgeklebt werden, wie das Kind an Jahren alt ist. Bei einem 3-jährigen Kind könnte man also 3 Tag lang das gute Auge abkleben und dann einen Tag lang beide Augen freilassen. Details sind aus der Tabelle ersichtlich.

Anhaltswerte zur Amblyopiebehandlung

(n = Alter des Kindes in Jahren)

Beiderseits normales Sehvermögen, beidseitig zentrale Fixation und wechselseitiges Schielen
• Keine Okklusionsbehandlung
• Kontrolle 3monatlich
Beidseits normales Sehvermögen, beidseitig zentrale Fixation und einseitiges Schielen
• Intermittierende Okklusion des Führungsauges, z.B. mit Mattfolie auf Brillenglas.
• Falls Gründe hiergegen sprechen alternativ Atropinisierung des Führungsauges als Penalisation (morgens 1 Tropfen Atropinol).
Einseitige Amblyopie, beidseitig zentrale Fixation
Normaler Visus für Einzeloptotypen, aber Visuseinschränkung für Reihenoptotypen:
• Intermittierende Okklusion mit Hautpflaster oder Mattfolie (wenigstens 2 Tage pro Woche oder wenigstens 4 h pro Tag).
• Bei Gegengründen Atropinisierung des Führungsauges.
Einzeloptotypenvisus unter 0,8
• Intermittierende Okklusion mit Hautpflaster (ggf. Mattfolie wenn Visus ³ 0,5)
n Tage Okklusion des Führungsauges, 1 Tag keine Okklusion
Nichtzentrale Fixation
• Direkte ununterbrochene Pflasterokklusion über n Tage mit anschließender Kontrolle
wenn bei Kontrolle zentrale Fixation:
• weiter wie bei «Einseitige Amblyopie, beidseitig zentrale Fixation»
wenn bei Kontrolle noch nicht zentral, aber gebessert:
• erneute direkte Okklusion über 3mal n Tage mit anschließender Kontrolle
wenn Visus nicht angestiegen oder Fixation verschlechtert (bzw. temporal):
• inverse Okklusion, d.h. Pflasterokklusion des nicht führenden Auges über n Tage und anschließende Kontrolle
wenn bei Kontrolle gebessert:
• erneuter Versuch der direkten Okklusion
wenn bei Kontrolle nicht gebessert:
• nach erneuter inverser Okklusion ggf. stationäre Aufnahme, Schulung

Bei Kontrollen ist auf jeden Fall die direkte Okklusion zu unterbrechen, wenn der Visus des führenden Auges abgefallen ist.

In der Regel bevorzugen wir es, nach jedem Abklebeintervall beide Augen freizulassen.

Nur in schweren Fällen kann es sinnvoll sein, anschließend das amblyope Auge für einen kürzeren Zeitraum abzukleben, bis wieder das bessere Auge abgeklebt wird. Es gibt dann also gar keine Intervalle, in denen mit beiden Augen gleichzeitig geschaut wird. Mit diesem Vorgehen kann schneller eine bessere Sehschärfe des amblyopen Auges erreicht werden. Das ständige, wechselseitige Abkleben (streng alternierende Okklusion) birgt jedoch die Gefahr in sich, dass es später zu Doppelsichtigkeit kommen kann. Die Suppression schützt ja vor Doppelbildern. Es gibt erwachsene Patienten, bei denen aufgrund einer solchen streng alternierenden Behandlung im Kindesalter plötzlich irgendwann störende Doppelsichtigkeit auftreten ist, die nicht wieder verschwand. Ihr nur schwach ausgeprägter Suppressionsapparat versagte plötzlich den Dienst.

Die Rücksicht auf die sozialen Alltagsumstände erlaubt es oftmals nicht, ganze Tage abzukleben. Es kann dann sinnvoller sein, z.B. jeden Nachmittag abzukleben. In jedem Fall ideal zum Abkleben geeignet sind die TV- oder Computerspielzeiten der Kinder, weil die visuelle Wahrnehmung stark gefordert und sonstige Reaktionen weniger gefordert und somit auch nicht stark behindert sind.