Akkommodatives Innenschielen
Kinder – und auch junge Erwachsene – können trotz Hyperopie (Hypermetropie, Weitsichtigkeit) scharf sehen, indem sie akkommodieren. Hierunter versteht man eine Anspannung des Ziliarmuskels, wodurch die Brechkraft der Augenlinse ansteigt. Normalerweise müssen wir nur akkommodieren, um in der Nähe scharf zu sehen. Dabei bewegen sich beide Augen gleichzeitig nach innen um die passende Stellung für die Nähe einzunehmen. Diesen Vorgang nennt man Konvergenz. Beide Vorgänge zusammen nennt man Nahreaktion oder Naheinstellung.
Die sehr enge Verbindung zwischen Akkommodation und Konvergenz bringt es mit sich, dass bei hyperopen Patienten eines der beiden Augen bereits beim Blick in die Ferne nach innen abweicht, sofern die Weitsichtigkeit nicht durch die Brille ausgeglichen wird. Ein Kind mit 4 dpt Hypermetropie muss bereits für die Ferne 4 dpt akkommodieren, um scharf sehen zu können. Es schielt dann nach innen, weil seine Konvergenz entsprechend der Akkommodation von 4 dpt so stark aktiviert wird, als wenn es einen Gegenstand in 25 cm (1/4 m) Nähe ansähe.
Aus diesem Grund ist der erste Schritt bei der Behandlung des Innenschielen der Ausgleich einer eventuell vorhandenen Weitsichtigkeit mit einer Brille, um den akkommodativen Anteil des Schielens zu beseitigen. Wenn Hyperopie die einzige Ursache des Schielens war (sog. rein akkommodatives Schielen), bewirkt die Verordnung der Vollkorrektion, dass das Schielen vollständig verschwindet. Die Brille dient dann der Behandlung des Schielens und erst in zweiter Linie der Verbesserung des Sehens.
Jungendliche und junge Erwachsene mit dieser Art des Innenschielen möchten oftmals die Brille weglassen und fragen, ob man nicht durch eine Operation das Schielen beseitigen könne. Bei einem rein akkommodativen Schielen (mit Brille in Ferne und Nähe kein Schielen) ist eine Operation kontraindiziert.
Gründe hierfür sind:
1. würde die ohne Brille ständig erforderliche Akkommodation zu instabilen Verhältnissen mit Winkelschwankungen und keineswegs stetigem Parallelstand führen.
2. ist mit zunehmendem Lebensalter die Akkommodation durch den bei jedem Menschen eintretenden Elastizitätsverlust der Augenlinse erschwert. Die Verhärtung der Linse ist die Ursache für die zwischen dem 40. bis 50. Lebensjahr einsetzende Alterssichtigkeit. Ein Hyperoper bemerkt diese Veränderungen oftmals schon früher, da er ohne Brille in der Nähe stärker akkommodieren muss, als ein Normalsichtiger.
In vielen Fällen behebt die Brille aber das Schielen nicht vollständig, sondern führt nur zu einer Verkleinerung des Schielwinkels. Man spricht dann von einem teil-akkommodativen Schielen. Auch in diesen Fällen ist das Tragen der Vollkorrektion wichtig, da der akkommodative Anteil nur hierdurch eliminiert wird. Außerdem kann es bei Nichttragen der Brille zu sekundären Anpassungen der Augenmuskeln an die ständige Schielstellung kommen (Kontraktur des M. rectus medialis). Dann wird das Aufsetzen der Brille den Schielwinkel nicht mehr so weit ausgleichen, wie dies früher möglich war.
Häufig besteht ein sog. akkommodativer Konvergenzexzess. Beim Blick in die Nähe kommt es trotz Brille infolge der Akkommodation zu einer überschießenden Bewegung der Augen nach innen und zu einem deutlich größeren Innenschielen als bei Fernblick. Diese Störungen können gelegentlich (vorübergehend) mit einer Zweistärkenbrille (Bifokalbrille) korrigiert werden. Oftmals ist hier aber eine Operation sinnvoll.
Es ist bei weitem nicht so, dass alle Weitsichtigen schielen, wenn Sie die Brille absetzen. Viele Patienten haben gelernt dem Konvergenzimpuls unbewusst entgegen zu steuern. Hierzu ist jedoch ein gutes Binokularsehen erforderlich, so dass durch Fusion (Verschmelzung der Bilder beider Augen) die Augenstellung korrekt gehalten werden kann. Häufig gelingt dies aber dem Weitsichtigen bei zusätzlicher Belastung weniger gut (Stress, Müdigkeit, Alkohol).