Untersuchung bei Schielen und Schielverdacht

Allgemein ist das Befragen der Eltern zunächst der erste wichtige Schritt (Anamnese).

  1. Wann wird Schielen beobachtet (ständig, selten, bei Müdigkeit, eher im Freien bei Blick in die Ferne oder eher bei der Betrachtung naher Gegenstände)?
  2. Wann trat das Schielen zum erstenmal auf? Die Frage ist wichtig um zu erkennen, ob es vor dem Schielbeginn bereits eine gesunde Entwicklung des beidäugigen Sehens gab. In diesem Falle wäre eine möglichst schnelle Therapie erforderlich, damit das Binokularsehen nicht verlernt wird.
  3. Wurde bei Schielbeginn über Doppelbilder geklagt oder gab es Hinweise auf Unscharfsehen? Es kommt vor, dass Doppelbilder nur als Unschärfe wahrgenommen werden.
  4. Werden Schwankungen des Schielwinkels beobachtet (z.B. fast Parallelstand wenn Kind gut ausgeschlafen)? Diese Tatsache hätte Auswirkungen auf die Wahl der geeigneten Therapie.
  5. Sind oder waren andere Mitglieder der Familie auch vom Schielen betroffen? In betroffenen Familien ist das neue Auftreten einer Schielerkrankung wahrscheinlicher.
  6. Was wurde bisher zur Behandlung unternommen? Wann?

Fundusrotreflextest, Brückner-Test, Hornhautreflexbilder

Bei Kleinkindern und Säuglingen sind die Untersuchungsmöglichkeiten eingeschränkt. Zum Beispiel ist eine Sehschärfeprüfung noch nicht möglich oder ungenau. Eine Untersuchung an der Spaltlampe (Mikroskop) wird nicht von jedem Kind toleriert. Daher spielen anderes Tests eine wichtige Rolle.

Eine einfache und rasch durchführbare Untersuchung ist der „Fundusrotreflextest“. Dabei werden beide Augen mit einer Lampe (direktkes Ophthalmoskop) angeleuchtet (Brückner-Test). Durch das Ophthalmoskop betrachtet leuchten die Pupillen deutlich, weil das Licht am Augenhintergrund reflektiert wird. Bei Fehlsichtigkeit leuchtet die Pupille des betroffenen Auges weniger hell, insbesondere bei Kurzsichtigkeit ist die Pupillen aus der Ferne betrachtet dunkler. Weitsichtigkeit wird häufig durch Akkommodation kompensiert und fällt daher nicht sicher auf.
Jede Medientrübung schwächt den Reflex merklich ab. Eine Linsentrübung lässt sich als Schatten im Rotreflex bei geringerem Abstand erkennen. Bei dieser Untersuchung kann auch festgestellt werden, ob die Hornhautreflexbilder symmetrisch sind. Eine Asymmetrie spricht für ein Schielen.

Häufig besteht bei einem Baby oder Kleinkind der Verdacht auf Schielen, weil innerhalb der Lidspalten die weißen Flächen unterschiedlich verteilt sind. Das kann durch einen breiten und flachen Nasenrücken oder durch eine kleine Hautfalte vor dem inneren Lidwinkel (Epikanthus) oder einfach bei leichtem Blick zur Seite verursacht werden. Eine erste Klärung ist durch die Beurteilung der Symmetrie der Hornhautreflexbilder möglich. Hilfreich sind vor allem mitgebrachte Digitalfotos, die sich z.B. auf dem Smartphone der Eltern bei hoher Vergrößerung betrachten lassen. Dabei ist es keineswegs erforderlich, dass die Reflexe zentral liegen. Wenn das Licht von der Seite kommt, ist der Reflex seitlich verschoben. Wichtig ist nur, dass der Reflex symmetrisch gelegen ist, zum Beispiel bei beiden Augen am rechten Pupillenrand. Bei symmetrischen Hornhautreflexbildern ist Schielen unwahrscheinlich. Man nennt das Phänomen „vorgetäuschtes Schielen“ oder „Pseudoschielen“.

1.: Hornhautreflex beidseits zentral, symmetrisch, unauffällig
2.: Hornhautreflex asymmetrisch, Verdacht auf Innenschielen
3.: Hornhautreflex asymmetrisch, Verdacht auf Außenschielen

Abdeck-Aufdecktest

Der Augenarzt oder die Orthoptistin muss nun feststellen, ob ein Schielen vorliegt. In manchen Fällen ist dies offensichtlich. Die Untersuchung konzentriert sich dann auf die Fragen, was für eine Schielform vorliegt und ob es Hinweise auf eine Amblyopie gibt. In jedem Fall muss ausgeschlossen werden, dass es sich nicht um eine Augenmuskellähmung handelt. Eine neu aufgetretene Lähmung würde zu ganz anderen weiteren Schritten zwingen. Vor allem müsste die Ursache der Lähmung abgeklärt werden (Entzündung, Tumor?).

Der wichtigste Test mit dem ein Schielen zweifellos festgestellt wird, ist der Aufdecktest. Hierzu muss der Patient einen Gegenstand mit beiden Augen fixieren. Nun wird das Auge, von dem angenommen wird, dass es das nicht schielende ist mit der Hand oder einer Abdeckscheibe verdeckt. Nun wird die Reaktion des anderen Auges, von dem vermutet wird, es schiele, beobachtet. Wenn es tatsächlich geschielt hat, muss es nun seine Stellung durch eine Einstellbewegung korrigieren, damit es auch den Gegenstand sehen kann. Hierzu ist es sinnvoll, das Kind während des Abdeckens des anderen Auges noch mal darauf hinzuweisen, dass es genau auf den Gegenstand schauen soll. Hierzu eignen sich nicht alle Gegensände gleich gut. Das Objekt darf nicht zu groß sein, weil sonst Augenbewegungen natürlicherweise erforderlich sind um den ganzen Gegenstand zu erfassen. Kleine Lämpchen werden häufig benutzt, sind aber eigentlich nicht besonders geeignet, weil sie zum einen blenden und zum anderen wenig interessant sind. Wenn ein Kind bereits einige Zahlen kennt, zeigt man am besten Zahlen-Sehzeichen, die gerade so groß sind, dass sie noch gut erkannt werden. Der Test kann mehrmals wiederholt werden um Sicherheit zu gewinnen. Er muss für die Ferne und die Nähe durchgeführt werden. Für die Nähe gibt es kleine Leisten auf denen Zahlen oder kleine Bildchen aufgedruckt oder aufgeklebt sind.

Der Test zeigt auch, ob ein latentes Schielen vorliegt. Ein latentes Schielen ist dadurch gekennzeichnet, dass nur eine Neigung zu einem Schielen besteht. Wenn beide Augen gleichzeitig schauen können, stehen die Augen parallel. Wenn jedoch ein Auge abgedeckt und somit die Fusion unterbrochen wird, rutscht das Auge unter der Abdeckung in die Schielstellung. Diese wird durch eine Einstellbewegung sichtbar, die auftritt, wenn die Abdeckung schnell von dem Auge entfernt wird. Man nennt diese Phase des Tests Aufdecktest.

Elterninformation zur Brillenglasbestimmung bei Kleinkindern
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